
Hasnain Kazim war Korrespondent für das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ in Pakistan und in der Türkei. Das ist an sich schon interessant für Schülerinnen und Schüler. Doch Kazim, in Oldenburg geboren, Sohn pakistanisch-indischer Eltern, hat noch mehr zu bieten: Seit vielen Jahren antwortet er auf Hassmails, die er massenhaft erhält, auf satirische und unterhaltsame Art. Vor einigen Jahren veröffentlichte er ein Buch („Post von Karlheinz“), in dem er einige Hassmails und seine überspitzten, provozierenden Reaktionen sowie den weiteren Schriftverkehr dokumentiert.
Deswegen war es für die Schülerinnen und Schüler des Seminarfachs „Satire“ der Jahrgangsstufe 12 ein spannendes Erlebnis, Hasnain Kazim in einer Videokonferenz kennenlernen und befragen zu dürfen. Kazim erzählte den Jugendlichen, dass er schon in jungen Jahren mit Hass konfrontiert worden sei. Als Teenager sah er im TV, wie 1992 in Rostock-Lichtenhagen viele Menschen teilnahmslos oder gar jubelnd vor brennenden Unterkünften von Flüchtlingen gestanden haben. Einige Politiker hätten daraufhin, anstatt dies zu verurteilen, vor der „Überfremdung Deutschlands“ gewarnt. Den jungen Hasnain Kazim macht dies fassungslos. Er kritisiert damals in einem Artikel für eine Schülerzeitung solche Politikeraussagen – und bekommt erste Hassmails.
Diese Konfrontation mit Hassmails bis hin zu Morddrohungen zieht sich (leider) wie ein roter Faden durchs Kazims Leben. Ihm wird beispielsweise unterstellt, für die Islamisierung Deutschlands einzutreten, wohl aufgrund seines Aussehens und seines Namens, denn Muslim ist Kazim nicht. Seine ersten bissigen Antworten auf solche Mails schreibt er noch von seiner beruflichen Emailadresse, nämlich die des Spiegels. Immer wieder landen seine provozierenden Antworten auch in der Chefredaktion, eingesendet von denen, die heftige Zeilen an Kazim schrieben, ihre eigenen Zeilen aber verheimlichten. „Die ursprünglichen Emails habe ich dann der Chefredaktion gezeigt“, so Kazim.
„Ich habe herausgefunden, dass es mir guttut, auf solche Mails mit Satire zu antworten“, erzählte er. Er habe nie geplant, aus diesen Mails ein Buch zu erstellen. Er veröffentlicht anfangs einige Mails und seine Antworten im Internet, beispielsweise bei Facebook. Seine Anhängerschaft wächst. Vielen gefällt die Art Kazims, mit Hass und Wut von Menschen, die ihn beleidigen oder gar bedrohen, umzugehen. Es mehreren sich die Stimmen, die ihn ermutigen, ein Buch mit diesen Beispielen zu verfassen. 2018 erscheint „Post von Karlheinz“.
Die Schülerinnen und Schüler hatten im Vorfeld Auszüge aus dem Buch gelesen, sich mit satirischen Facebook-Posts von Hasnain Kazim beschäftigt und Fragen vorbereitet. So ging es in dem 90 Minuten um die Frage, was Satire darf, um das von Jan Böhmermann an den türkischen Präsidenten (damals Ministerpräsidenten) Erdogan gerichtete „Schmähgedicht“, die Mohammed-Karikaturen und die Anschläge auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“, aber auch um Kazims Zeit bei der Bundeswehr und später als Spiegel-Korrespondent in der Türkei, die abrupt endete, da ihm eine Verhaftung aufgrund unliebsamer Kritik an der Regierung bzw. Berichterstattung über die PKK drohte, und seine Kritik an Wählern der AfD.
Kazim polarisiert seit einigen Jahren mit dem Running Gag, das Kalifat in Deutschland einführen zu wollen. „Ich wollte den Demonstranten der Pegida-Bewegung, die ja seit Jahren vor der Islamisierung des Abendlandes warnen, einen richtigen Grund geben“, erzählte Hasnain Kazim den Jugendlichen. Aus diesem Running Gag, der schnell viele Anhänger, die Kazims Satire verstehen, fand, entwickelte sich in den vergangenen Monaten ein Buch, das im Herbst 2021 erscheinen wird. Titel: „Mein Kalifat: Ein geheimes Tagebuch, wie ich das Abendland islamisierte und die Deutschen zu besseren Menschen machte“. Kazim berichtete, dass es schon jetzt, nachdem das Cover veröffentlicht wurde, Kritik und Anfeindungen aus diversen Richtungen gab.
Hier einige Stimmen von Schülerinnen und Schülern des Seminarfachs zur Videokonferenz mit Hasnain Kazim:
„Mir hat neben seiner Faktensicherheit und seinen Kenntnissen in den Bereichen Satire, Politik und Gesellschaft seine in meinen Augen sehr ehrliche Art gefallen. Vor allem hat er wirklich sehr unvoreingenommen und objektiv berichtet (was ich dabei besonders gut fand, war, dass wenn er uns seine persönlichen Ansichten geschildert hat und seine eigene Meinung ausgeführt hat, diese auch immer kenntlich gemacht hat, ohne uns zu beeinflussen).“ (Bernd)
„Herr Kazims offene und kommunikative Art und seine ausführlichen und sehr wortgewandten Antworten haben das digitale Gespräch dynamisch und locker gestaltet.“ (Liam)
„Ich fand die Videokonferenz mit Herrn Kazim sehr interessant. Seine Erfahrungen und Eindrücke in den unterschiedlichsten Bereichen, wie der politischen Situation in der Türkei oder auch in Deutschland, haben mich fasziniert. Man hat gemerkt, dass Herr Kazim ein Mensch ist, der schon viel erlebt hat und sich gesellschaftlich bisher mit vielen Dingen auseinandergesetzt hat und auseinandersetzen musste. Seine Haltung gegenüber Satire ist sehr offen, was ich gut finde, und auch seine Erläuterungen bezüglich des Verständnisses von Satire haben mich überzeugt. Ich fand es leider etwas schade, dass wir so viel über Türkei gesprochen haben, da vieles auch nur bedingt mit unserem Thema zu tun hatte und der Aufenthalt von Herrn Kazim ja auch nur vier Jahre lang ging. Das heißt jedoch nicht, dass es uninteressant oder dergleichen war!“ (Falk)
„Die Moderation war durch Hasnain Kazims nette Art und seine aufschlussreichen und ausführlichen Antworten sehr einfach und spannend.“ (Erik)
T. Romberg