Simon Hellmann hat im Sommer 2012 sein Abitur an der Ursulaschule gemacht. Der 18-Jährige wohnt in Ostercappeln/Schwagstorf und absolviert derzeit sein Berufsvorbereitendes Soziales Jahr (BSJ) bei den Osnabrücker Werkstätten gGmbH.
Diese ist eine Tochtergesellschaft unter dem Vereinsdach der Heilpädagogischen Hilfe Osnabrück und bietet Menschen mit einer geistigen, körperlichen oder psychischen Behinderung eine berufliche Tätigkeit, die sie mit ihrem Handicap bewältigen können. Industriemontage, Verpackung, Metall- und Holzverarbeitung und vieles mehr leisten die Osnabrücker Werkstätten gGmbH an zehn Standorten in Osnabrück und im Osnabrücker Land. Im Interview für die Homepage berichtet Simon Hellbaum von seinen Aufgaben und gibt Tipps:
Warum hast Du Dich für ein BSJ entschieden? Ich hatte keinen Plan was ich machen wollte, schon was Soziales – aber was genau wusste ich nicht.
Wie bist du dann zu den Osnabrücker Werkstätten gekommen? Die Tante einer Freundin arbeitet in der Werkstatt Schledehausen. Und diese Freundin hatte mir den Tipp gegeben, dass man dort ein freiwilliges Jahr mit Menschen mit Behinderung machen kann. Daraufhin habe ich dort zwei Tage hospitiert und hatte Gelegenheit, mir sowohl den Intensivförderbereich (mehrfachschwerstbehinderte Menschen) als auch die „Verpackungsgruppe“ des Produktionsbereiches anzuschauen. Beim Abschlussgespräch wurde ich gefragt, wo ich denn gerne mein BSJ machen möchte. Ich habe mich für die Verpackungsgruppe entschieden. Man kann im Produktionsbereich (im Vergleich zur Intensivförderung) viel mehr mit den Menschen mit Behinderung arbeiten und sprechen. Kommunikation ist mir sehr wichtig. Ich möchte gerne wissen, was in den Leuten vorgeht. Menschen mit Mehrfachschwerstbehinderungen können sich ja häufig nur mit speziellen Hilfsmitteln verständigen. Ich habe erkannt, dass das nichts für mich ist.
Wie sehen Deine Aufgaben aus? In der Verpackungsgruppe verpacken wir für unterschiedliche Unternehmen meist kleine Schraubentüten. Ganz häufig für Solarlux. Dann müssen, nach festen Vorgaben des Unternehmens, unterschiedliche Schrauben und Winkel in eine Tüte verpackt werden, damit die Kunden beim Aufbau alles zusammenhaben was benötigt wird. Ich schaue dann gemeinsam mit dem Gruppenleiter, welcher Beschäftigte (Mensch mit einer Behinderung, der in der Gruppe Arbeitet) welche Arbeiten verrichten kann, welche speziellen Erklärungen er dafür benötigt oder welche Zählhilfen ihm die Arbeit erleichtern können. Dann begleite ich die Arbeiten der Beschäftigten, schaue wo es hakt, ob alles richtig verpackt wird und motiviere die Beschäftigten bei Bedarf. Neulich hatten wir einen großen Stau in der Produktionskette, weile eine Beschäftigte einfach keine Lust aufs Arbeiten hatte. Dann habe ich mich neben sie gesetzt und ihr erklärt, warum es wichtig ist, dass auch sie mitarbeitet. Gemeinsam haben wir es dann geschafft. Ich begleite die Menschen auch zum Mittagessen und helfe (einige können aufgrund von Spastiken ihr Essen nicht selber klein schneiden). Regelmäßig steht auch Hofdienst an, bei dem ich die Beschäftigten vor Arbeitsbeginn von den Bussen abhole, sie begrüße und ihnen helfe, die Gruppen zu finden (einige haben Probleme mit der Orientierung). Auch Fahrdienste stehen auf dem Programm (siehe Foto). Ich fahre die Beschäftigten mit dem Bulli beispielsweise zur Reittherapie, zum Funktionstraining oder in den KunstContainer. Abgesehen von all diesen Dingen bin ich auch einfach Ansprechpartner für die Beschäftigten, wenn es mal Probleme innerhalb der Gruppe gibt oder einfach mal ein offenes Ohr bei Liebeskummer benötigt wird. Ich bin da und habe Zeit für sie.
Warum sollten junge Menschen Deiner Meinung nach ein BSJ machen? Es ist auf jeden Fall gut, einfach mal etwas anderes zu machen. Einige meiner Mitschüler studieren jetzt schon, leben also immer noch ihr altes Leben (vielleicht auch unter der Fuchtel von Mama und Papa) und kennen Menschen auf der „anderen Seite“ gar nicht. Ich erlebe, was es heißt, Verantwortung für andere Menschen zu übernehmen. Es gibt noch weitere Gründe: Die Arbeit macht unheimlich viel Spaß. Das BSJ ist Teil meiner Ausbildung. Und ich habe mich durch die Verantwortung, die ich beim BSJ übernehme, verändert. Durch die Verantwortung, die ich im BSJ übernehme, habe ich mich auch verändert. Ich bin viel reifer und vorausschauender geworden
Wie geht es für Dich nach dem BSJ weiter? Ich möchte Soziale Arbeit studieren. Das BSJ hat mir gezeigt das der soziale Bereich genau das Richtige ist. Aber ich brauche etwas, das mich intellektuell mehr fordert, mir viele Möglichkeiten bietet. Deswegen habe ich mich für das Studium entschieden.
Informationen zum BSJ bei der Heilpädagogischen Hilfe Osnabrück:
Das Berufsvorbereitende Soziale Jahr (BSJ) in der Heilpädagogischen Hilfe Osnabrück dient jungen Menschen zwischen 16 und 26 Jahren als Orientierungs- und oder Überbrückungsjahr, in dem sie ihre Sozialkompetenzen stärken und erste berufliche Einblicke in das soziale Arbeitsfeld der Behindertenhilfe erhalten. Das BSJ kann daher prägend für die zukünftigen Berufsentscheidungen der jungen Menschen sein. Das BSJ ist ausschließlich jungen Menschen vorbehalten, die noch keine abgeschlossene Berufsausbildung in einem pädagogischen Bereich, also über keinerlei berufliche Vorkenntnisse verfügen. Der BSJler schließt mit der Einrichtung, in der Regel für 12 Monate einen BSJ-Vertrag. Dieser Vertrag beinhaltet unter anderem zugesicherte 29 Urlaubs- und 5 Fortbildungstage bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden. Der BSJler erhält für seine Tätigkeit ein sozialversicherungspflichtiges Entgelt von 451 Euro.
Der BSJler erprobt während seines BSJs seine soziale Intelligenz, erweitert seine sozialen Kompetenzen und erlangt erste berufliche Orientierung. Durch die verantwortungsvolle Mitwirkung im sozialen Arbeitsfeld erlangen junge BSJler definierte Schlüsselqualifikationen wie beispielsweise Selbständigkeit, Flexibilität, Kommunikationsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Reflexionsfähigkeit, Teamfähigkeit und Sachkompetenz. Ferner erhält der BSJler Einblicke in betriebliche Abläufe, kann erste berufliche Qualifikationen sammeln sowie berufliche Perspektiven entwickeln. Dafür werden dem BSJler vorrangig Aufgaben der Betreuung, Begleitung, Förderung, Assistenz und Pflege der Menschen mit Behinderung anvertraut. Dies erfolgt stets unter Anleitung. Die Mitwirkung der BSJler in besonderen Projekten und das Einbringen eigener Ideen und Fähigkeiten werden gefördert.
Der BSler bekommt in der HHO einen festen Mentor zugewiesen, der sich den Interessen des jungen Menschen annimmt, regelmäßige Reflexionen und Rückmeldung sowie ein Abschlussgespräch vornimmt. Die praktischen Arbeiten des BSJler werden stets unter Anleitung durch Vorgesetzte ausgeübt, mit einhergehenden Verbesserungshinweisen und Feedbackgesprächen.
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