
Der Neumarkt in Osnabrück: Ein Ort im Zentrum der Stadt, an dem täglich viele tausend Menschen unterwegs sind. Die meisten Osnabrücker haben irgendetwas mit dem Neumarkt zu tun und jeder hat eine Meinung zum Neumarkt. Doch was passiert eigentlich hier und vor allem warum? Wie findet man heraus, was man wo bauen darf? Und wer kontrolliert die Baugenehmigung? Wer überwacht überhaupt Entscheidungen von beispielsweise der Stadt Osnabrück?
Mit diesen und vielen weiteren Fragen haben sich zehn Schülerinnen und Schüler verschiedener Osnabrücker Gymnasien in den Herbstferien während der diesjährigen Herbstakademie unter Leitung von Sonja Hegge, Lehrerin an der Ursulaschule, und Therese Neuffer, Juristin an der Universität Osnabrück, befasst. Mit dabei waren auch Susanne Simon, Theresa Havekost und Annegret Feil von der Ursulaschule.
Auftaktveranstaltung – Einführung in das Verwaltungsrecht
Nach der Veranstaltung in der Schlossaula zogen wir in den Hörsaal im alten Kreishaus um und wurden von unseren Kursleiterinnen, Sonja Hegge und Therese Neuffer, zunächst allgemein in die Thematik „Neumarkt“ und dann genauer in den Fachbereich Jura eingeführt. Genauer gesagt haben wir uns mit der Geschichte dieses Bereichs auseinandergesetzt und die Trennung zwischen kirchlichem Recht und weltlichem Recht kennengelernt. Aus dieser Unterteilung ergibt sich der Name „Jura“, was übersetzt „die Rechte“ bedeutet. Im weltlichen Recht haben wir weiter unterteilt in das Privatrecht, das Strafrecht und das öffentliche Recht.
Das Privatrecht beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen verschiedenen Bürgern, wie beispielsweise bei einem Kaufvertrag. Das Strafrecht behandelt Situationen in der Beziehung zwischen Staat und Bürgern, indem beispielsweise bei Straftaten Sanktionen verhängt werden. Dieselbe Beziehung wird auch vom öffentlichen Recht beschrieben, welches alle übrigen Situationen in der Bürger-Staat-Beziehung behandelt. Das Baurecht beschreibt beispielsweise, wer wo unter welchen Umständen gebaut werden darf.
Im Anschluss daran haben wir uns die Entwicklung des Neumarktes angeschaut: Von 1906 bis 1960 gab es noch eine Straßenbahn, die über den Neumarkt fuhr. Zwischen 1963 und 2012 gab es den Neumarkttunnel, welcher unter anderem aus Kostengründen zugeschüttet wurde. Weitere Problemthemen am Neumarkt sind zum einen, wie sich durch ein gemeinsames Brainstorming ergeben hat, dass der Neumarkt mal gesperrt und mal offen ist, und zum anderen das alte, seit Langem leerstehende YPSO-Gebäude, welches eigentlich von einem Investor zu einem Einkaufscenter umgebaut werden sollte.
Erster Tag der Kernphase – Geografische und juristische Betrachtung des Neumarkts
Nachdem wir uns einen Monat lang nicht mehr gesehen hatten, mussten wir uns erstmal wieder ins Gedächtnis rufen, wie genau der Plan für unsere Kernphase genau aussieht. Für diesen Tag bedeutete dies Geograpfe am Vormittag und Rechtstheorie am Nachmittag.
Zunächst beschäftigten wir uns mit der Frage: „Wann ist eine Stadt eine Stadt?“ Dazu schauten wir uns den historischen, statistischen und geografischen Stadtbegriff an und zu unserer Überraschung gab es keinen allgemeingültigen, internationalen Stadtbegriff. So ist nach statistischem Stadtbegriff eine Siedlung in Deutschland eine Stadt, sobald sie 2000 Einwohner hat, während in z. B. Schweden schon 200 Einwohner ausreichen, um den Stadttitel zu erlangen.
Anschließend schauten wir uns eine alte Stadtkarte Osnabrücks an sowie weitere Entwicklungsstufen der Stadt in den darauffolgenden Jahrhunderten, um den heutigen Stadtplan nachvollziehen zu können. Dann beschäftigten wir uns mit dem aktuellen Flächennutzungs- und Bebauungsplan. Hierfür schauten wir uns die Karten in unserem Material an und arbeiteten heraus, was genau eine Stadt im Flächennutzungs- und Bebauungsplan zu kennzeichnen und zu beachten hat.
Am Nachmittag begann der juristische Part mit den verschiedenen Arten von Rechtsquellen, zu denen formelle Gesetze, Verordnungen und Satzungen zählen. Diese Arten von Rechtsquellen stehen in einer sogenannten Normenhierarchie. Dies war wichtig, um zu verstehen, warum bestimmte Ziele für die Stadtverwaltung wichtiger sind als andere, wie z. B. der Lärmschutz oder die Luftqualität, die am neuen Graben konstant über dem von der EU festgelegten Grenzwert liegt.
Am späten Nachmittag schauten wir uns in Gruppen die Überarbeitungen des „Luftreinhalte- und Aktionsplan Stadt Osnabrück 2008“ aus den Jahren 2008, 2011 und 2017 an und verglichen diese. Wir kamen zum Schluss, dass die Stadt viele Pläne hatte und dabei ist, diese umzusetzen, wie die Ergänzung der Elektrobusse in den Starßenverkehr.
Zweiter Tag der Kernphase – Die Interviews
Am zweiten Tag der Herbstakademie standen drei Interviews auf dem Programm. An diesem Tag sind wir früh aufgebrochen, um uns anfangs mit dem Stadtplaner Kim Stuckenberg der Stadt Osnabrück zu treffen. Nach einer ausführlichen Präsentation über die Zukunft der Gestaltung des Neumarktes durften wir ein Interview führen, in dem wir detaillierte Fragen zum Plan gestellt haben, wo wir herausfanden, dass die Stadt befürchtet, dass die farbigen Betonplatten möglicherweise nicht stabil genug sein könnten und wie am Rosenplatz schnell kaputt gehen könnten. Zudem kamen bei Versuchen, den Neumarkt frei von Verkehr zu bekommen, heraus, dass die Lebensqualitäten anderer Bürger beispielsweise am Schlosswall eingeschränkt werden würden.
Beim Gespräch im Verwaltungsgericht in Osnabrück mit der Pressesprecherin und Richterin am Verwaltungsgericht Julia Schrader wurde uns zunächst das Leitbild des Gerichtes erklärt und wie mit Klagen bezüglich des Neumarktes umgegangen wird. Anfänglich stimmte die Mehrheit der Ratsmitglieder für die Sperrung des Neumarkts, weshalb dieser anfangs gesperrt wurde. Jedoch klagten Bewohner gegen diese Teileinziehung (d.h. es dürfen keine privaten Autos den Neumarkt passieren; Busse und gewerbliche Nutzung bleiben erlaubt), wobei das Verwaltungsgericht Osnabrück die Sperrung im Eilverfahren billigte. Später hat jedoch das OVG Lüneburg im Eilverfahren entschieden, dass die Sperrung am Neumarkt aufgehoben werden muss. Für den 13.11.2019 stand noch die entgültige Entscheidung des Verwaltungsgerichtes im Hauptverfahren aus.
Am Nachmittag interviewten wir den Journalisten Wilfried Hinrichs von der NOZ. Gemeinsam haben wir über das leerstehende YPSO-Gebäude und über die Rechtslage gesprochen. Dabei wurde deutlich, dass es beim verworfenen Bau des Einkaufszentrums viele Risiken gibt, beispielsweise dass es sich nicht rentiert. Zu guter Letzt führten wir zusammen eine Diskussion, welche Möglichkeiten sich für das Gebäude ergeben.
Dritter Tag der Kernphase – Podiumsdiskussion
Auf Grundlage unserer Erfahrungen der letzten Tage und weiterer Artikel haben wir am dritten Tag eine Podiumsdiskussion in verschiedenen Gruppen vorbereitet und durchgeführt. Hierbei wurden wir entgegen unserer eigenen Interessen eingeteilt, um uns in verschiedene Situationen hineinzuversetzen.
Zu den Interessensgruppen zählten die Umweltaktivisten, Handel und Gewerbe in der Osnabrücker Innenstadt, Mobilität in Osnabrück und Wohnen am Neumarkt. Interessanterweise sind wir allgemein gut zu Kompromissen gekommen, nämlich zu dem Gesamtergebnis, dass eine Teileinziehung (Sperrung des Neumarktes für Autofahrer) stattfinden sollte, von der allerdings Anlieger, also Anwohner, Handwerker und Lieferverkehr für das Gewerbe, sowie Busse ausgeschlossen sein sollten.
Aus dem YPSO-Gebäude würden wir eine Art Büro- und Parkanlage mit Büros, Wohnungen, Cafés und Spielplatz machen, da auf diese Weise die Johannisstraße belebt würde, sowie ein Ort zur Entspannung geschaffen werden könnte. Das wird zwar, wie sich in den Interviews am Vortag gezeigt hat, nicht so passieren, jedoch war es sehr spannend, sich in die Situation hineinzuversetzen und zu schauen, zu was unsere Diskussion führt.
Kursteilnehmer der Herbstakademie 2019